Irgendwann ist es so weit. Die Eltern werden älter, vielleicht pflegebedürftig, brauchen Hilfe. Das Thema kennen viele von uns.
Dem folgt dann später unausweichlich irgendwann das Ende und es kommt die Zeit, da geht es um die inneren und äußeren Hinterlassenschaften unserer Eltern und Großeltern. Die letzten Monate, Tage und Stunden, das Sterben, der Tod, Testamente, Beerdigung, Trauer oder auch Gefühllosigkeit und all das, was zurückbleibt.
Für viele ist es sehr schwierig sich um die eigenen Eltern zu kümmern, weil eben das Verhältnis problematisch war und ist. Die Aufarbeitung der Beziehung beginnt oft erst im mittleren Erwachsenenalter. Teilweise sind die Familien auch sehr verstreut, es besteht wenig alltäglicher Kontakt o.ä. Manchmal werden auch Kontakte noch sehr spät abgebrochen, es gibt viele unterschiedliche Lebenslagen und Geschichten.
Bei fremden Menschen fällt einem manches einfacher, als bei den nahen Angehörigen, mit denen man emotional verstrickt ist. Sei es Themen anzusprechen, oder die Pflege, das Aussortieren der Dinge nach dem Tod.
Wer kümmert sich um die Eltern?
Ein weiteres Thema ist, dass die Carearbeit ja vor allem auf den Schultern der Frauen lastet. Die Frauen der Familie fühlen sich oft mehr verpflichtet sich um die Eltern und Großeltern und andere Verwandte zu kümmern, das liegt auch an der Erziehung. Bei Geschwistern sind es doch meistens die weiblichen Angehörigen, an denen diese Arbeit hängen bleibt.
Pflege ist nicht einfach, oft wird erwartet dies zu tun und auch noch ohne etwas dafür zu bekommen, man ist ja schließlich verwandt. Und wozu hat man die Kinder denn bekommen und aufgezogen. Diese Meinung ist weit verbreitet. Kürzlich hatte ich ein Telefonat mit der Pflegekasse. Selbst der Mitarbeiter dort teilte mir mit, dass man doch meinen könnte, die Verwandtschaft mache das schon, und dass ja der Staat da sehr großzügig sei, dass er was zuschieße, auch zur Pflege durch Verwandte. Klar.
Das zeigt wie noch immer die Carearbeit nicht nur unterschätzt wird, sondern auch wie wenig Wert ihr beigemessen wird. Wie wenig gesehen wird, wie viel und wie wichtige Arbeit dies ist. Als wäre die Zeit und Kraft von Verwandten weniger wert als die von professionellen Pflegediensten. Zum Glück sieht der Staat das anders und Pflege kann auch privat erfolgen, auch wenn natürlich bei hohem Pflegebedarf es kaum reicht, was gezahlt wird, vorallem wenn die Rente klein ausfällt.
Muss ich mich kümmern?
Niemand ist verpflichtet sich, um seine Eltern zu kümmern, es ist mir wichtig das zu sagen. Denn viele glauben, dass es doch so ist, und leisten unter Qualen Dienste, weil sie sich gebunden fühlen.
Eltern sind in gewisser Weise für ihre Kinder verantwortlich, die Kinder aber nicht für ihre Eltern. Und es ist vollkommen in Ordnung zu sagen, das kann ich nicht und das will ich nicht.
Bei einem Gespräch mit Kriegsenkeln kam mal die Idee auf, wie es wäre, die Pflege der Eltern zu tauschen. Es war ein kleiner Spaß, aber vielleicht keine schlechte Idee. Oder man überlässt es eben einfach anderen. Gleichzeitig ist es eine gute Idee darüber nachzudenken, wie man das gerne für sich selbst mal hätte, um sich rechtzeitig zu informieren und Klarheit darüber zu haben. Es gilt ja vieles zu beachten.
Die meisten werden schon mal darüber nachgedacht haben, wie das wird im Alter, und Pflegeheime/Pflegedienste sind da wahrscheinlich nicht die erste Wahl. Ein großes Themenfeld.
Filmtipp: Die Mittagsstunde
Charly Hübner als Ingwer Feddersen, ist bei seinen Großeltern aufgewachsen. Sie sind für ihn die Eltern gewesen. Als es den Beiden immer schlechter geht, nimmt er ein Sabbatjahr und zieht zu Ihnen aufs Land in den Norden, in seinen Heimatort. Dort übernimmt er die Pflege der beiden Alten. Da kommt so manches hoch, Geheimnisse lüften sich, viele Themen werden angesprochen.
In Rückblenden erfahren wir einiges über seine leibliche Mutter und den Lauf der Geschichte, die auch eng verbunden ist mit dem Dorf. Wunderbar sanft und sehr liebevoll erzählt.
Und am Ende?
Wenn es dann um den Tod der Eltern geht, ist das immer eine sehr spezielle Zeit, ob man nun ein gutes oder schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern hatte. Selbst für Menschen die sagen sie haben sich längst losgesagt. Manch einer wird überwältigt von Trauer – und dabei können so viele Themen mit hineinspielen. Ein anderer sagt, er/sie fühle gar nichts, und auch das ist nicht unbedingt das, nach dem es aussieht. Es ist wichtig sich Zeit zu nehmen, um das zu verarbeiten, was sich zeigt.
Durch den Tod der Eltern, und auch danach kann sich noch vieles verändern, auch die Beziehung zu den Eltern, oder auch Großeltern.
Grade in dieser Zeit ist dann doch einiges zu tun. Es gibt die Möglichkeit das Erbe auszuschlagen, das muss innerhalb von 6 Wochen nach dem man vom Tod erfahren hat beim Amtsgericht persönlich gemacht werden, kostet eine Gebühr von ca. 10 bis 30 €. Wenn mehrere Personen zusammen hingehen, fällt die Gebühr nur einmal an. Damit gibt man alles aus der Hand, an die nächsten Verwandten oder die Stadt. Auch die Bestattung.
Wenn man sich selber kümmern möchte und das Erbe der Eltern annimmt, ist vieles zu organisieren. Und es ist gut, hier einiges zu wissen.
Viele ausführliche Informationen finden sich im Buch: „Let´s Talk about Tod, 50 Fragen zu Sterben, Tod und Bestattung“, von David Roth, Gütersloher Verlagshaus, 20,- €.
Persönlicher wird es in „Sarggeschichten“ von Sarah Benz und Katrin Trommler, erschienen im Mosaik Verlag, für 22,- €. Die Sarggeschichten gibt es schon sehr lange als Projekt und letztes Jahr ist das Buch dazu erschienen. Einfach mal den Link anklicken.
Unsere Eltern, Kriegs- und Nachkriegskinder
Viele Menschen der Kriegskinder- und Nachkriegskindergeneration haben auch einen ausgeprägten Sammeltrieb, dadurch das sie viel Mangel erlebten. Da ist nicht selten viel viel zu tun wenn die Eltern oder andere Angehörige sterben. Manch einer hat Monate zu tun sich einen Überblick über die Habseligkeiten zu machen, zu sortieren, wichtige Papiere rauszusuchen und die ehemalige Bleibe der Angehörigen zu räumen.
Wir alle sind Kinder unserer Zeit, dies zu verstehen hilft mit vielem umzugehen. Und es erklärt auch viele Verhaltensweisen der Älteren.
Eine Aufgabe die nicht nur viel Arbeit macht sondern seelisch sehr aufrüttelnd und bewegend sein kann, in alle möglichen Richtungen. Dazu postete kürzlich Andreas Fischer (Filmemacher/siehe auch diesen Filmbeitrag) einen Lesetipp des Tages!
Die Eltern vieler Kriegsenkel sind inzwischen pflebedürftig. Sebastian Schoepp analysiert sehr scharfsinnig die ökonomischen, praktischen und nicht zuletzt psychologischen Aspekte dieser Situation und beschreibt ebenso nüchtern wie berührend seine persönliche Geschichte. Der Mann hat eine „Schreibe“! Für mich ein ganz hervorragender Beitrag zur Kriegsenkelthematik, kann gelesen oder gehört werden!„
„Seht zu, wie ihr zurechtkommt, Abschied von der Kriegsgeneration„, von Sebastian Schoepp. Auch zu finden bei Bookbeat.
Weitere Buchtipps:
Arno Geiger – Der alte König im Exil
David Sieveking – Vergiss mein nicht
Barbara Yelin – Der Sommer ihres Lebens
Roz Chast – Können wir nicht über was Anderes reden?
Petra Mader – Fast ein Leben
Und ein ganz besonderes Buch: Erni Kutter – Schwester Tod, zur weiblichen Trauerkultur
Wenn du Begleitung suchst in dieser persönlich wichtigen und herausfordernden Zeit schreib mit gern.